Springerplatz

1957 und 30. November 1978

1957 zogen meine Eltern mit mir zum Springerplatz. Von älteren Menschen hörte ich hier den Spruch: „Am Moltkemarkt, da haben wir die Nazis verjagt!“ Das hat mich schon früh bewogen, mich mit der Geschichte des Platzes auseinanderzusetzen. Der ehemalige Moltkemarkt, heute Springerplatz, im Bochumer Griesenbruch, von der Bevölkerung „Blaubuchsenviertel“ genannt, war das Wohngebiet der Stahlarbeiter des Bochumer Vereins. Durch machtvolle Aufmärsche und Kundgebungen entwickelte sich der Moltkemarkt vor 1933 zum Zentrum der Bochumer Arbeiterbewegung, zum Symbol des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Denn:

– am 13. März 1920 protestierten hier über 20.000 Menschen gegen den rechtsgerichteten Kapp-Putsch

– am 30. Januar 1933 demonstrierten 10.000 Kommunisten auf dem Moltkemarkt gegen Hitlers Machtergreifung

– am 12. Februar 1933 versammelten sich hier rund 10.000 Bochumerinnen und Bochumer zu einer Massenkundgebung der Eisernen Front zur Verteidigung der Demokratie

– 1933 musste ein Fackelzug der NSDAP umgeleitet werden, weil die Arbeiter den Nazis machtvoll den Zutritt zum Moltkemarkt verwehrten.

Zur Erinnerung an den Widerstand erfolgte am 27. Juni 1947 die Umbenennung des Moltkemarktes in Springerplatz nach dem kommunistischen Widerstandskämpfer Karl Springer, der 1936 von den Nazis ermordet wurde.

Die letzte Großkundgebung der Stahlarbeiter auf dem Springerplatz fand am 30. November 1978 während des 44-tägigen Streiks der IG Metall zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche statt. Über 10.000 Menschen nahmen an ihr teil. Einer von ihnen war ich. Es war eine stimmungsvolle und kämpferische Veranstaltung. Besonders als die Beschäftigten der städtischen Müllabfuhr zur Unterstützung der Stahlarbeiter mit ihren Müllwagen auf den Springerplatz fuhren. Ein imposantes Bild. Diese Veranstaltung ist mir bis heute in bleibender Erinnerung.

Es freut mich, dass seit einigen Jahren das jährliche Westendfest und der Abendmarkt an jedem Freitag für eine Belebung des Springerplatzes sorgen. An Attraktivität gewinnt der Springerplatz besonders durch den kompletten Umbau des Hochbunkers von 2011 bis 2014. Das um drei Stockwerke erhöhte Gebäude beherbergt heute unter anderem die Medienfachhochschule SAE-Institut und die Szene-Bar Café Treibsand. Das Haus erhielt 2016 die Architekturauszeichnung „ULI Germany Award for Excellence“, weil es neben der baulichen Umsetzung auch einen deutlich erkennbaren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des Platzes leistet. Als „Zentralmassiv Springerplatz“ ist der ehemalige Hochbunker heute ein imposantes Bauwerk, das dem Springerplatz mit seiner großen Tradition durch neue Impulse eine Zukunft gibt.

Eine Erinnerung von Heinz Rittermeier

6 Bewertungen

  1. Solidarität?

    Hochinteressant zu lesen.
    Warum sind Solidarität und Miteinander wie hier beschrieben heute nicht mehr möglich im Revier (und anderswo)? Oder war das nie so und alle Berichte wie dieser – es gibt ja deren viele – sind nur überhöht und verzerrt dargestellt?

  2. Da lernste watt !

    Schade,dass kein Foto dabei ist…
    Ansonsten SEHR interessant !

  3. Spannend

    Lieber Heinz, spannend. Weiter so! Geschichte und Geschichten muss/müssen für die Nachwelt erhalten bleiben Manfred

  4. Tip

    Wer ein bißchen mit der Armosphäre der zwanziger Jahre im Kohlenpott vertraut werden möchte könnte das vielleicht mit der Lektüre der beiden online lesbaren Romane des Bergmanns und Arbeiterdichters Hans Marchwitza vertraut machen. Sie heißen „Sturm auf Essen“ und „Schlacht vor Kohle“. Ich habe sie selbst allerdings nicht gelesen.

  5. Sehr interessant!

    Kleiner Ort mit grossartiger Geschichte!

  6. war dabei...

    Gut das wir noch solche Zeitzeugen haben.

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Springerplatz 
44793 Bochum
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