Die Grugahalle, der „Rockpalast“ und der Gummidrachentöter
1978 - 2006Die ROCKPALAST-Nächte der 70er/80er Jahre sind sicher das Spektakulärste, das die gute alte geflügelte Tante, die Essener Grugahalle aus ihrer Geschichte vorweisen kann. Europaweit bekannt wurde sie mit den Live-Übertragungen des WDR, bei denen solche Rock- und Pop-Koryphäen auftraten wie die Stray Cats, Roger Chapman, Patti Smith, The Blues Band, Rory Gallagher, BAP, Mink de Ville u.v.v.a.
„Rockpalast“ war von 1974 bis 1986 eine wöchentliche Sendung des WDR, in der internationale Bands vorgestellt wurden, meist Newcomer und oft solche, deren Karrieren durch die Sendung erst richtig in Fahrt kamen. Zweimal jährlich veranstaltete der WDR eine „Rockpalast-Nacht“ in der Grugahalle in Essen mit bis zu vier Gigs, die im ARD-Hauptprogramm, parallel dazu im Rundfunk live übertragen wurden und bis tief in die Nacht dauerten. Diese Live-Übertragungen waren der Straßenfeger jener Zeit. Wer keine Karten für die Rockpalast-Nacht hatte, blieb in solchen Nächten zu Hause vor der Glotze. Nicht wenige schnitten die Konzerte auf Tonband, Musikkassetten oder VHS mit. Discos und Kneipen hatten in Rockpalast-Nächten deutlich weniger Besucher. Ich hatte mit 16 das Vergnügen, einmal live dabei zu sein.
In der Rockpalast-Nacht vom 28.03.1981 traten THE WHO und THE GRATEFUL DEAD auf, letztere mit einer Performance, die weit mehr als drei Stunden dauerte. Beide Auftritte haben mich leider nicht gerade vom Hocker gehauen, aber die Nacht bleibt mir dennoch unvergesslich, weil a) gegen Mitternacht sicher die komplette Halle – heute absolut undenkbar – von Haschischrauch vernebelt war, b) das Konzert erst im Morgengrauen endete, weil in dieser Nacht erstmalig die Uhr in Deutschland auf Sommerzeit umgestellt wurde, c) die Heimfahrt in einem VW-Golf über die A40 mit sieben nicht mehr ganz nüchternen Insassen zwar etwas ungemütlich, aber sehr lustig war und d) – ein sehr trauriger Aspekt – vor der Theke unterhalb der Halle mitten im Konzert eine sehr brutale, blutige Schlägerei stattfand, die nur durch das beherzte Eingreifen mehrerer Saalordner beendet werden konnte und eine Notfallambulanz auf den Plan rief.
Dennoch zählt die Grugahalle zu meinen Lieblingsorten im Revier. Neben den Rockpalast-Erinnerungen trage ich noch solche an Auftritte sehr verschiedener Künstler mit mir herum. Es begann 1978 mit MAL SONDOCK’S POP-EXPLOSION. Nun ja, jeder fängt mal klein an. Ich war 13 und erlebte hier ein paar typische 70er-Jahre-Teenie-Bands nebst einem dicken Radio-DJ aus USA, der damals eine wöchentliche Hitparade auf WDR 2 präsentierte. Man muss wirklich nicht näher drauf eingehen… UDO LINDENBERG, 1981 & 1983: Der deutscheste aller Rocker während seiner „Udopia“-Tour ‛81 und ‛83 bei seiner „Odyssee“-Show, bei der sein „Sonderzug nach Pankow“ brandneu war und in den Charts durch die Decke schoss, mit GIANNA NANNINI als Support. RITCHIE BLACKMORE’S RAINBOW, 1982 bei ihrer „Straight Between The Eyes“-Tour. GEORGES MOUSTAKI, 1984 beim Festival der SPD zum allerersten Europawahlkampf. Der Mann am Mischpult hatte die Stimmen von Vogel, Brandt & Bahr im Griff, den Gesang von Monsieur Moustaki nicht. Es war eine herbe Enttäuschung! IRON MAIDEN, 1986, „Somewhere In Time“-Tour: Der spektakulärste Metal-Gig, den ich je sah. Ich habe nie zuvor und später nie wieder einen derart guten, perfekten Live-Sound hören dürfen und eine so grandios organisierte Show, die nur noch getoppt wurde durch den Gig einer finnisch-schwedischen Folktruppe, doch das war acht Jahre später in Frankreich… RONNIE JAMES DIO, 1986, „Sacred Heart“-Tour: Der kleine Italo-Amerikaner mit der übergroßen Stimme!!! Seine Metal-Show war, wie die von Iron Maiden, von etlichen Effekten begleitet, die jedoch bei Dio eher lächerlich ausfielen; der Mann musste doch tatsächlich mit sowas wie einem Laserschwert einen Gummidrachen töten. Man konnte es ihm verzeihen – sein Gesang war einfach überwältigend! THE POGUES, 1990: Der leidenschaftsloseste Auftritt einer Band, den ich je erlebte. Die 30 D-Mark für den Eintritt waren rausgeschmissenes Geld. Der Sänger wirkte sturzbesoffen, das Publikum buhte, die ohnehin nicht ausverkaufte Halle war nach der Pause halbleer… LUCILECTRIC, 1995: Sie spielten nicht in, sondern vor der Grugahalle im Rahmen eines WDR-Festes und dafür, dass Lucy van Org mit ihrem „Weil ich’n Mä-hä-hä-dchen bin“ nun wahrlich nicht meine Liga war, spielten sie doch so verdammt gut, und zwar unplugged, dass ich das hier sehr gerne erwähne. DEEP PURPLE, 1996 bei ihrer „Purpendicular“-Tour erstmalig mit Steve Morse an der Gitarre, der den ewigen Querulanten Ritchie Blackmore, Gott sei Dank, abgelöst hatte. B.B.KING, 2006: Ich habe Queen nie live gesehen vor Freddy Mercurys Tod und Rory Gallagher ebenfalls vor seinem Ableben nicht auf der Bühne erlebt – B.B. King habe ich gesehen!!! Den großen alten Blues-Man. Sitzend vor seinem Orchester, mit seiner Gitarre auf dem Schoß, einer phantastischen, ur-amerikanischen Show-Dramaturgie, formidablen Songs und einer höchst beeindruckenden INGA RUMPF im Vorprogramm!
Es gibt andere Hallen im Ruhrpott, die ich ebenfalls kenne. Größere vielleicht oder modernere. Ich verbinde aber mit keiner so viele Erinnerungen wie mit der Halle am Rande des Grugaparks und empfinde keine als das, was die Grugahalle für mich ist: der Partykeller unserer Region.
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....!
Ein echter SCHATZ an BILDERN und Erinnerungen…
Ich war noch nie in der Grugahalle
Du vergisst nichts, wie mir scheint.
Ich war leider nie in der Grugahalle.
Gruga, eine kleine aber feine Halle
Ich war auch in der Gruga, habe dort Extreme, und Van Halen gesehen und die
Konzerte sehr genossen.