Der verbotene Berg

Beginn der 50iger Jahre

Ich bin im Ruhrgebiet geboren und aufgewachsen als es noch der “ Pott“ war, in dem Stahl gekocht, Kohle gefördert und Bier gebraut wurde.

Hinter dem Garten des Zechenhäuschens, in dem ich mit meinen Geschwistern wohnte, erhoben sich die Abhänge einer, für uns damals, riesigen Zechenhalde. Das war unser Berg, denn andere Berge kannten wir in unserer Kindheit nicht. Das Betreten war uns strengstens verboten. Man konnte einbrechen, verschüttet werden, oder gar abstürzen. Und da gab es auch noch eine geheimnisvolle, eiserne Bunkertür. Wenn es regnete hätten wir, wenn es uns interessiert hätte, lernen können was das Wort “ Erosion“ bedeutet. An den steilen Hängen der Halde bildeten sich tiefe Rinnen in denen ein grauer Schlamm herabgespült wurde.

Aber weil alles Verbotene seinen besonderen Reiz hatte, spielten wir trotzdem heimlich dort. Wir rutschten auf alten Pappdeckeln den Hang hinunter, oder bauten Buden zwischen den wenigen verkrüppelten Birken, die dort wuchsen.

Kinder achten beim Spielen natürlich nicht auf ihre “ Klamotten“. Nach Stunden, als uns klar wurde wie wir aussahen, kam das böse Erwachen. Kleidung und besonders Schuhe, waren zu dieser Zeit noch ein wertvolles Gut. Wir Kinder wussten das genau und trauten uns kaum nach Hause. Der Haldendreck würde uns verraten. Von den Haaren bis zu den Füßen bedeckte uns dieser graue Staub. (Ich weiß bis heute nicht, ob der gesundheitsschädlich war?)

Mit hängenden Köpfen schlichen wir schuldbewust durch den Garten zur Hintertür, mit der Erwartung eines großen Donnerwetters. Die Oma, eine energische Person, zog uns schimpfend in die Wohnküche und gab meiner Schwester einen kräftigen Klapps auf das Hinterteil. Glück gehabt!! Das blieb mir erspart, denn der Raum hüllte sich darauf in einen dünnen, schmutzigen Nebel. Hustend wurden wir „außer der Reihe“denn der Samstag war Badetag, in die große Zinkbadewanne gesteckt und abgeschrubt. Anschließend ging es ohne Abendessen ins Bett. Und das,obwohl es noch hell war.

Heute ist alles anders. Die Halden des Ruhrgebiets laden geradezu ein, sie zu betreten. Sie locken mit schönen Wanderwegen, Kunst auf den Gipfeln, zahlreichen Events und einer herrlichen Aussicht bei klarer Luft. Deutlicher ist der Strukturwandel kaum zu erleben.

Eine Erinnerung von Renate Weber

1 Kommentar

  1. Platz an der Halde

    Ein interessante, wahrscheinlich so oder ähnlich häufige Kindheitserinnerung aus dem Ruhrgebiet (aus welchen Jahren?).

    Ich erinnere mich dabei an eine Retrospektive „Das Ruhrgebiet im Film“ bei den Oberhausener Kurzfilmtagen 1978 in deren Rahmen ich einen Spielfilm, „Platz an der Halde“, gesehen hatte, der genau so eine Situation thematisiert und letztendlich auflöst.
    „[…]Seine auch heute noch beeindruckende Authentizität und Glaubhaftigkeit verdankt die Produktion wohl ihrer gelungenen Mischung aus gegenwartsnaher Thematik, Original-schauplätzen, eindrucksvollen Schwarzweiß-Aufnahmen, stimmigen Dialogen und vor allem Laien als Darstellern.[…]“
    Dieser Film von 1954 ist heute noch auf DVD unter dem Link:
    https://www.lwl.org/lwl-medienzentrum-shop/?page=product&info=128
    beim Landschaftverband Westfalen-Lippe erhältlich.

    An den Halden wird der Strukturwandel wirklich sehr deutlich sichtbar.

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