Winter an Burg Vondern
1944 und danach1944 und die Zeit nach dem 2. Weltkrieg
Winter um Burg Vondern
Im Austausch mit Hans Gonska ergab sich folgende Geschichte.
Hans Gonska ist wie ich an der Burg Vondern groß geworden, spielte hervorragend Mundharmonika im Trio „Die Drei Chromonics“ und wohnt heute im nahen Oberhausen-Borbeck.
Februar 1944: Es war bitter kalt, ein eisiger Wind pfiff aus Richtung Steigerhäuser, also aus Osten. Die Erwachsenen sprachen immer von –16° bis –18° Grad Celsius.
Bernhard, Emil und der kleine Hansi, alle drei neun Jahre alt, hatten ihre alten Schlittschuhe geschultert und waren auf dem Weg zu den Eisflächen rund um die Burg. Die Wasserfläche verlief vom heutigen kleinen See unterhalb der Brücke zwischen Herrenhaus und Burghof bis zur Zufahrt am Haupttor. Hier mussten wir – mit Schlittschuhen an den Füßen – über den Weg krabbeln, bis wir wieder zur großen Eisfläche gelangten. Die ganze Burg war – außer dem Hauptweg – von Wasser umgeben.
Es hatten sich zum Nachmittag viele Kinder an der Eisfläche versammelt. Da das Umkreisen der Burg auf Dauer langweilig war, wurden zwei Mannschaften zusammengestellt. Eishockey war beliebt. Ausrüstung? Mangelware: weder Helm noch Ellenbogen- oder Schulterschutz. Als Puck diente eine verdötschte Milchdose, die Schläger waren gebogene Haselnussäste. Zwei große Steine bildeten das Tor. Und los ging es!
Mit den altertümlichen Schlittschuhen konnte man nur mit voller Breite abstoßen. Im Eifer des Spiels hatte man das natürlich vergessen. Einmal mit der Spitze kräftig abgestoßen – ratsch, und schon waren Hacke oder Absatz vom Schuh abgerissen. Von daher nannten wir die Schlittschuhe auch „Hackenreißer“. Natürlich gab es dann vom Vater ein großes Donnerwetter und ein paar hinter die Löffel. Die Schuhe mussten zum Flickschuster. „Zusammengebastelt“ waren die Schuhe bald wieder „schultauglich“.
Doch von da ab gab es bis zum Frühjahr nur noch die Schlinderbahn. Das musste man den Eltern versprechen. Eine nochmalige Aktion des Schusters wäre fatal gewesen – für uns Kinder und für das Portemonnaie der Eltern. Mit dem nahenden Frühjahr kam das Gummieis. Die Mutprobe auf dem Gummieis bezahlte Bernhard mit nassen Füßen bis zu den Knien. Und: Das Wasser hatte nicht nur den Geruch von Kuhdung, sondern die Fasern der Hose nahmen die Farbe von Kuhmist an. So war für ihn die Auseinandersetzung mit den Eltern vorprogrammiert.
War jedoch das Eis im Frühjahr geschmolzen, gab es rund um Burg Vondern andere Möglichkeiten. Es war Platz für Fußball, Luftvogel-Steigen-Lassen, Pizzdoppjagen bis hin zur Befeuerung des Räucherkastens im Herbst. Dieser Räucherkasten bestand aus einer Dose von ehemals Leipziger Allerlei, festgemacht an einem Schleuderseil. Hier wurden die Kartoffeln geschmort und geräuchert, natürlich mit Platanenrinde.
Walter Paßgang – Vorsitzender des Förderkreises Burg Vondern – Jahrgang 1945