„Das Maschinengewehr Gottes“
1950er JahreIn der Stadt hingen Transparente und die gelb-schwarzen Plakate fand man an allen Litfasssäulen, Lautsprecherwagen fuhren herum und von Kirchenkanzeln wurde verkündet: Pater Leppich spricht demnächst in Bochum! Nicht nur in den katholischen Bochumer Familien nahm man davon Kenntnis. Auch evangelische Christen und Nichtgläubige strömten zu den Freiluft-Veranstaltungen des modernen Wanderpredigers. In unserer Clique waren wir uns auch sofort einig: da müssen wir hin!
Überall in der Bundesrepublik faszinierte der hagere Mann in der schwarzen Kutte seit 1948 die Massen. Unterhaltsam, aber mit drastischen Formulierungen, die jeder Bergmann und Hüttenarbeiter verstand, versuchte er die Missstände der sich langsam entwickelnden Wohlstandsgesellschaft zu geißeln und Menschen zur Botschaft Christi zu bekehren. Mit zwei Tontechnikern fuhr er in seinem Opel-Blitz-Kastenwagen, dessen Dach ihm auch als Bühne und Kanzel diente, durch die Lande.
In Bochum hatten sich auf dem Imbuschplatz vor dem Redemptoristen-Kloster nach Pressemeldungen rund 18.000 Menschen versammelt, als der Pater für die spricht, „die keinen festen Stand haben, für die angeschlagene Hitlerjugend-Generation, die Spätheimkehrer Gottes“. Selbst der christdemokratische Bundeskanzler Adenauer bekommt sein Fett weg: „Er sei sich nicht sicher, ob der Kanzler auch der beste Katholik sei“, zweifelt Leppich öffentlich. Das göttliche „Maschinengewehr“ lief oft heiß, der Jesuit verstand es, die Menschen zu fesseln. Einige von uns waren amüsiert, aber zweifellos verfehlte seine Botschaft bei anderen ihre Wirkung nicht. Pater Leppich forderte nicht fromme Worte, sondern soziales Engagement. Auch durch Reisen nach Pakistan, Indien, Thailand und Nordamerika lernte er die Armut in der Welt kennen und organisierte Sach- und Geldspenden. Dass heute in vielen Hotelzimmern Bibeln liegen, geht ebenfalls auf Johannes Leppichs Anregung zurück. Aus den USA importierte er die Idee der Telefonseelsorge.
Wir bekamen auf dem Imbuschplatz noch viele Kostproben seiner rhetorischen Virtuosität zu hören. Was so improvisiert wirkte, war wochenlang bis ins kleinste Detail in seiner Klosterzelle im Ordens-Stammhaus Jakobsberg bei Bingen am Rhein eingeübt.
„Eltern, ihr wißt ja gar nicht, welch ein Unheil allein eine umherliegende Illustrierte anstiften kann, wie eine Serie geiler Bilder schon die unschuldige Seele eines heranwachsenden Kindes vergiften kann. Eine Jugend, die mit Bordell-Magazinen und schmutzigen Revuefilmen großgefüttert wird, muß eines Tages vor die Hunde gehen. Wissen Sie, daß heute in vielen Volksschulen, die auch Ihre Kinder besuchen, der Geschlechtsverkehr zu Hause ist?“
„Und jetzt frage ich Dich: Mädel, kennst Du den Mann, den Du Deinen Bräutigam nennst? Mit dem Du eines Tages vor den Traualtar treten willst? Ist er etwa auch einer jener Tangojünglinge, die Augenränder haben wie die Autoreifen?“
„Auch hier bei Euch gibt es so ein paar sexuelle Wildschweine, ein paar Grauköpfe, die vor den Lehrmädchen im Betrieb am Montag die Schweinereien vom Sonntag erzählen. Behalten Sie das doch für sich!“
„Du mußt etwas tun, daß Du nicht wie eine fette Ente Deinen Hintern am Boden nachschleppst, sondern wie ein Adler aufsteigst zu Gott.“
„Verzeihen Sie das verdammte Thema Geld, aber wir haben viele, viele Auslagen. Eure Litfaßsäulen sind teuer, hinter mir steht keine Partei. Ihr wollt doch nicht, daß der Pater
Schulden macht?“