Die ehemalige Zeche Lothringen in Bochum-Gerthe

50er / 60er Jahre

Die ehemalige Zeche Lothringen in Bochum-Gerthe existiert schon lange nicht mehr als solche, wie im übrigen auch die vielen anderen Zechen im Ruhrgebiet.

Meine Erinnerungen an die Zeche habe ich bewahrt: Weil Generationen meiner Familie, vom Ur-Opa über dessen Kinder und Kindeskinder, dort „unter Tage“ mit anderen Kumpeln, das „schwarze Gold“ abgebaut- und durch deren schwere- und mühseelige Arbeit, an die Erdoberfläche gebracht haben.

Erinnerungen sind auch der Wohnort viele dieser Zechen-Menschen und meiner Familie, die sog. „Kray-Siedlung in Herne“, unweit an der Stadtgrenze zu Bochum-Gerthe. Es war eine damals typische Zechensiedlung, wo nach der schweren- und schweißtreibenden Schicht, sich die Bergmänner in der Siedlungskneipe am Langeloh (Waldgebiet) trafen, wo sie am Wochenende ihre Brieftauben aus den Dachgeschoßen fliegen ließen und wo die Ehefrauen die Gärten beackerten, die zu fast jedem Haus, ja jeder Wohnung gehörten, während die Männer unter Tage waren.

Es gab dort bei den Häusern noch das seperate „Plumsklo“ draußen neben den Stallungen.
Viele Familien hatten nämlich auch Viehzeug (Kleintiere) wie Karnikel (Kaninchen), Hühner, Gänse, Puten (Truthahn) und fast alle ein Hausschwein. Letzteres wurde dann bei der jährlichen Hausschlachtung (Schlachtfest) durch den Metzger zu Fleisch- und Wurst-Nahrungsmitteln verarbeitet. Dieser hatte dann Hochsaison, weil er an den besagten Tagen mehrere Schlachtungen in der Siedlung durchführte.
Ich habe noch heute die aufgeschnittenen zwei Tierhälften, festgebunden an einer Holzleiter an der Hauswand und in der Sonne trocknend, vor Augen. Es war, zumindest für uns Kinder, wie ein Straßenfest, nur die Musik fehlte dazu.
Heutzutage kaum mehr möglich, aber damals in den 50er/60er Jahren war das ganz normal, zumindest in den ländlichen Gegenden.

Es war halt eine andere Zeit, die Zeit des Aufruchs und der Erneuerung.
Der italienische Eismann kam einmal die Woche, meist sonntags, mit seinem fahrbaren Eissalon auf drei Rädern vorbei, ebenso unter der Woche der Gemüsemann, der Tierhändler mit Federvieh bzw. der Milchmann mit gekühlter Frischmilch aus großen Kannen. Selbst an einen größeren, gelben Geränkewagen mit roter Coca-Cola Aufschrift, habe ich noch Erinnerungen. Ach ja: Die Flaschen waren sogar alle aus Glas und in gelben Plastikstiegen gepackt.

Erinnerungen an die Zeche Lothringen sind auch die diversen Veranstaltungen des zecheneigenen Spielmannszuges und des Bergmann-Chors. Für die Familien und Kinder der Kumpel gab es an Weihnachten im Verwaltungshaus eine große, gemeinsame Weihnachtsfeier.

Eine letzte, wenn auch bedrückende und traurige Begebenheit war, als meine Oma sich seinerzeit weinend und aufgeregt mit anderen Frauen aus der Zechensiedlung, zu Fuß und schnell auf den Weg zur Zeche Lothrinen machte. Rasend schnell (damals noch ohne Telefon und Internet) hatte sich die Nachricht verbreitet, dass es ein tödliches Grubenunglück auf der Zeche gegeben hat. Es stimmte schließlich auch und etliche Bergleute und Kumpels kehrten nicht mehr lebend von der Schicht zurück zu ihren Familien.

_____________________________________
Bildinfos: Die Originalzeichnung wurde am 4. Februar 1962 einem Kumpel (Name bek.) zu seinem 25. Dienstjubiläum von der Bergbau-AG Lothringen in Bochum-Gerthe, überreicht.

Den Künstler des Motives kenne ich zwar nicht, aber vielleicht gibt es ja Personen aus dieser NRW-Bergbauregion, denen er bekannt ist oder war.

Eine Erinnerung von Manfred Schilling

1 Kommentar

  1. Ein auch heute noch geschichtsträchtiger Ort

    „Komm zu uns,“ meinte mein Nachbar Hannes, der als Ortsältester im Streckenvortrieb auf der damaligen Zeche Lothringen arbeitete. Ich zögerte, doch dann gab ich nach und verfuhr im Mai 1964 dort meine Schicht. Ich war nun als Handwerker, als Maschinenhauer, für einen Betriebspunkt zuständig. Die Zeche Lothringen kannte ich bereits, denn dort hatte ich einige Jahre zuvor meine Gesellenprüfung abgelegt und sogar mit Bravour bestanden. Die Arbeit auf Lothringen 1/ 2 machte Spaß, auch die Bezahlung stimmte. Der Nachteil: Es war sehr heiß. Pro Schicht fünf Liter Tee waren die übliche Trinkration. Einige Monate gingen ins Land. Ein junger griechischer Kumpel, der dort im Kohlenrevier malochte, lud mich in das Bullenkloster in der Nähe von 3/ 4 ein. Später folgte sogar eine Einladung nach Saloniki. Habe ich aber leider nicht angenommen. Im Streckenvortrieb wurde damals in drei Dritteln gearbeitet: morgens, mittags und nachts. Unsere Schicht dauerte jeweils sieben Stunden wegen der enormen Hitze. Ich musste, weil man mit Werkzeug – unter anderem krumme Bohrstangen – nicht mit der normalen Seilfahrt auf den Förderkorb nehmen durfte, unter Tage zu einem weiter gelegenen Wetterschacht laufen, dann mit den Stangen wieder über Tage zurück in die Werkstatt. Der Weg war lang und beschwerlich. Meine Kolonne mit Hannes, meinem Nachbarn und Drittelführer, zog nach einige Monaten weiter, das Gedinge stimmte plötzlich nicht mehr. Ich ging mit. Wenigstens für kurze Zeit, um dann dem Bergbau den Rücken zu kehren. Lothringen hatte ich danach aber immer noch im Blick, denn gegenüber dem Zecheneingang gab es das bekannte „Weiße Haus“, dort gab es nämlich lange Zeit Tanzmusik vom Feinsten, da waren meine Herner Clique und ich natürlich oft zu Gast.

Schreibe einen Kommentar zu Friedhelm Wessel Antworten abbrechen