DORTMUND-BODELSCHWINGH

50er & 60er JAHRE

Im Dortmunder Nordwesten, Vorort Bodelschwingh, bin ich aufgewachsen. Besonders in den Wintern waren der verschneite Bodelschwingher Berg und die zugefrorenen Gräften von Schloß Bodelschwingh unsere bevorzugten Spielplätze. Es kamen sogar Kinder aus den Nachbarorten Östrich und Westerfilde. Wenn der Schlitten gut lief, erreichten wir die Stallgräfte, die das Schloß-Areal umgab. War die Rodelbahn nach vielem Gebrauch vereist, rasten die Mutigsten auch auf Schlittschuhen hinunter mit kopfüber Hechtsprung vor dem Stacheldraht, der die Weide von der Gräfte trennte.

Das beigefügte Bild stammt aus den späten 90ern. Für uns war damals die Hausgräfte wegen Lärmbelästigung durch den Baron verboten. Aber wir durften stattdessen auf der Stallgräfte umzu toben:  Fangen auf Schlittschuhen und gebückt unter den Brücken durch wettlaufen, wagemutig am Zufluß des Bodelschwingh-Baches dranlängs; der war nämlich nicht zugefroren.

Da wir schon frühzeitig auf das Eis gingen, bog es sich unter unseren Fliegengewichten schon mal durch und/oder die Risse sprangen mit lauten Knall auf. Ins Eis eingebrochen kam dann auch vor. An den Stellen war das Wasser nur eine Handbreit tief und darunter ein halber Meter Modder…

Die Alten erzählten uns, daß sie 50 Jahre früher erst auf das Eis durften, wenn seine Tragfähigkeit mit einem Pferd geprüft worden war. Das bedeutete eine Dicke von mindestens einem halben Meter. Wir waren schon drauf, wenn es eine Handbreit dick gefroren war.

Naürlich bolzten wir auch Eishockey mit selbst geschnitzen Schlägern: langer Ast, dünner Abzweig, darüber ein Stück Gartenschlauch. Als Ball (den Ausdruck Puck kannten wir noch nicht) dienten eine leere Milchdose und wenn die nicht vorhanden, eine aus den Schloßvorräten stibitzte, gefrorene Kartoffel. Ich bekam mal eine voll vors Schienbein. Das tat fies weh.

Unsere Schlittschuhe befestigten wir mit Drehschlüssel und Riehmen wie die Rollschuhe an den Schuhsohlen. Dabei riß manchmal auch eine ab. Das gab dann Mecker zu Hause.

Spielen durften wir offiziell bis zum Dunkelwerden. Nach dem Toben reichte das aber auch meist. Es kam vor, daß ich mir mal Frostbeulen in den Hacken einfing. Die wurden dann fürsorglich von Mutter in einem Eimer mit tüchtig Salzwasser kuriert.

Unser Spielzeug damals war einfach, oft selbst gefertigt. Und damit hatten wir unseren Spaß,

sinniert

Hans-Joachim Dorny

 

PS:

Zum Schloß gehörte auch ein Vorratsgebäude mit einem sogenannten Eiskeller. Im Winter wurden aus dem Gräfteeis Platten herausgesägt und meterdick in dem Keller gestapelt. Dieser künstliche Eisblock kühlte die Lebensmittel bis in den Sommer, solange, bis er durch die steigenden Außentemparaturen schmolz und als Abwasser wieder in der Gräfte verschwand.

Seit geraumer Zeit zerschneidet die A45 genau „unseren Rodelberg“…

d.U.

 

 

 

 

 

Eine Erinnerung von Hans-Joachim Dorny

3 Bewertungen

  1. schön

    Sehr schön beschrieben und geschrieben. Beim Lesen denkt man, selbst dabei gewesen zu sein.

  2. Barone, b.z.w. Adel gibt es in Deutschland seit 1919 nicht mehr.

  3. Winterfreuden

    Zu dem ausführlichen Text ein schönes Foto. Das ins bräunliche spielende Licht die bunt gekleideten Menschen auf dem Eis intensiv diese seltene Gelegenheit nutzend erinnert mich an jene holländischen Winterbilder der siebzehnten Jahrhundert, die die Winterfreuden ihrer Zeit darstellt. Ich gehen nun auf den Kommentar von Klaus ein. Sicher, einen Adel, der eine wirkliche politische Funktion hätte, gibt es seit der Weimarer Republik nicht mehr. Doch Tiele und Namen werden durchaus gern geführt und, wenn ich mir die Regenbogenpresse und entsprechende Magazine sehe, scheinen das immer noch sehr viele Leute interessant zu finden. Doch Sie haben vollkommen Recht, wenn Sie auf diese Weise auf die Gleichwertigkeit eines jeden Bürgers in Bezug auf das Grundgesetz und Bürgerrechte abheben. Und da stimme ich ihnen zu: Auch ich bin sehr froh darüber, daß vor dem Gesetz alle gleich sind.

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