Eröffnung der ersten Spielzeit von Peter Zadek in Bochum

1972

Nach 23 Jahren Intendanz ging Hans Schalla 1972 in Rente. So hatten die Bochumer Stadtväter Anfang der 70er Jahre die Aufgabe, einen Nachfolger zu finden. In erster Linie war damit der legendäre Kulturdezernent Dr. Richard Erny betraut. So fiel schließlich die Entscheidung, den durch seine vielbeachteten Inszenierungen in Ulm und Bremen rasch berühmt gewordenen, aber auch umstrittenen Regisseur, Peter Zadek zu verpflichten.

Damit wurde in Bochum alles anders. Zadek sammelte ein Team von Theaterleuten um sich, mit denen er versuchte, einen Gegenentwurf zum vorherrschenden Theaterbetrieb zu verwirklichen, sein „Volkstheater“.

Das übliche Theaterabonnement, bei dem Zuschauer für eine Auswahl von Stücken feste Karten im Voraus bezahlte, wurde abgeschafft. Stattdessen gab es die Wahlmiete, bei der es den Abonnenten freistand, welche Stücke sie für ihr Abo zum ermäßigten Preis besuchen konnten. Der Wunsch, andere Zuschauerschichten anzulocken machte darüber hinaus erfinderisch. So wurden Theaterbesuchern verbilligte Karten für Kinos und für Bundesligaspiele im Stadion angeboten, was allerdings keinen großen Zustrom an Fußballbegeisterten ins Theater lockte. Auch gab es Versuche, Babysitter für Theaterbesucher zu organisieren.
Es gelang aber neue Zuschauerschichten zu gewinnen, insbesondere Studenten. Das Theater wurde „cool“, Jeans und Pullover verdrängten Krawatten und Abendkleider.
Das Zadek-Team versuchte bewusst, die Grenzen zwischen den Medien Theater, Film und Fernsehen aufzuheben, bzw. durchlässiger zu machen. So wurden in den Kammerspielen Filme gezeigt, die in einem gewissen Zusammenhang zum sonstigen Programm standen.
Ich erinnere mich besonders an den Film „Tanz auf dem Vulkan“ mit Gustav Gründgens und dem fulminanten Song von Theo Mackeben, aus dessen Feder nicht nur das von Gründgens interpretierte „Wenn die Bürger schlafen gehn / Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da“ stammte.

Filmregisseure wurden für Inszenierungen verpflichtet, Theateraufführungen wurden verfilmt oder für Fernsehfilme neu aufbereitet und vieles mehr. Es wurde ein Theater unten im Keller des Schauspielhauses eingerichtet, in dem es Spätvorstellungen bei Bier und Brötchen gab.
Mit „König Lear“ ging Zadek in ein Kino und zum Abschied mit „Hamlet“ in eine Fabrik in Hamme. Des Intendanten unkonventionellen Versuche, das Theater zu öffnen, haben sicherlich auch zur Steigerung der Zuschauerzahlen beigetragen. Das Wichtigste jedoch, was Zuschauer auch aus den umliegenden Großstädten anlockte, waren die Stückauswahl und die Art, wie sie gespielt und inszeniert wurden.
Langeweile ist tödlich für das Theater. Das war das Credo von Peter Zadek.

Zadeks Einstieg mit der dramatischen Bearbeitung von Hans Falladas Roman „Kleiner Mann, was nun?“ als Revue durch Tankred Dorst wurde bereits ein voller Erfolg. Die Eröffnungspremiere lief an drei vorausgehenden Abenden speziell für Beschäftigte der Krupp Hüttenwerke, der Adam Opel AG und der Stahlwerke Bochum.

Die Namen der Darsteller sind bis heute legendär: Rosel Zech, Eva Mattes, Hannelore Hoger, Carola Regnier, Ulrich Wildgruber, Hermann Lause, Heinrich Giskes, Fritz Schediwy, Hans Mahnke. Viele Schauspieler auch, die später im Film und im TV Karriere machten: Diether Krebs, Christoph Eichhorn, Robert Atzorn; Marie Luise Marjan, Brigitte Janner,
Elisabeth Wiedemann. Und nicht zuletzt Herbert Grönemeyer, der damals
noch ein Bochumer Gymnasium besuchte und in einer Beatles-Revue sein Debüt als Schauspieler und Bühnenmusiker gab.

„Zadek, das war Chaos, das langsam geordnet wurde“, erinnert sich später der Inspizient Gerd Beiderbeck, der 40 Jahre an der Königsallee tätig war.

Bei einer Autogrammstunde war ich nach zwei Kindern an der Reihe, die er nach ihrem Namen fragte. Ich sagte nun, dass ich Norbert hieße. Daraufhin schrieb Zadek „Für Herrn Norbert“.

Eine Erinnerung von Norbert Hugo Wagner

1 Kommentar

  1. Baustein zur Theatergeschichte

    Das ist wohl die Zeit, in der das Bochumer Schauspielhaus sich bundesweit einen Namen machte. Die Zeit unter Hausmann wurde in diesem Portal bereits beschrieben, wobei ein Kommentar zu dem Beitrag auf Peymanns Intendanz eingeht (1).
    Langsam entsteht hier eine Geschichte dieses bedeutenden Theaters.

    (1) http://www.zeit-raeume.ruhr/die-erinnerungsorte/koenigsallee-15-44789-bochum-bochumer-schauspielhaus-unter-leander-haussmann/

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